Sich seiner selbst bewusst sein. Selbstbewusstsein.

08.07.2016
Meine Lieblingskollegin ist für den Titel dieser Kolumne verantwortlich. Sie kennt mich seit Beginn meiner Ausbildung und hat wohl meine stärkste charakterliche Entwicklung miterlebt: vom stillen Mäuschen bis hin zur pflichtbewussten Angestellten. Ich berichtete ihr von meinem Wochenende. Davon, dass wir alle gemeinsam Eis essen waren und mir schließlich jemand sagte, ich sei sehr selbstbewusst und humorvoll und habe ein großes Herz. Ich sagte ihr auch, dass ich Probleme damit hätte mich mit dem Wort "selbstbewusst" zu identifizieren. . Und schließlich sagte sie zu mir: "Ich finde, du bist sehr selbstbewusst. Du bist dir deiner selbst bewusst." Und dann hatte ich auf einmal verstanden......


[→ Lischs Gedanken zum Thema "Sich seiner selbst bewusst sein. Selbstbewusstsein."
findet ihr hier auf ihrem Blog.]

Wenn es eine Charaktereigenschaft gibt, die mich am besten beschreibt, dann ist es: Sensibilität. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger. Ich könnte mich in Kleinigkeiten unheimlich hineinsteigern, nehme mir alles zu Herzen und beginne schnell zu weinen, sobald ich das Gefühl habe, alles um mich herum bricht zusammen, weil es nicht so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich werde zu einem trotzigen Kind, das mit den Füßen stampft und weint, einfach untröstlich ist. Genau deswegen fühle ich mich oftmals ungemein schwach. Dabei ist das eigentlich totaler Quark. Ich bin nicht schwach. Eigentlich bin ich sogar ziemlich stark. Meine Kollegin hat es genau auf den Punkt gebracht. Ich bin mir meiner selbst bewusst. Ich weiß genau wer ich bin. Habe Vertrauen in mir, Gewissheit und Zuversicht. Wenn etwas passiert, weiß ich ganz genau, dass ich auf mich und meine Fähigkeiten bauen kann. Kurz gesagt: ich bin im gesunden Maße von mir überzeugt. Ich will niemand anderes sein, weil ich mich mit allen Ecken und Kanten, die ich sowohl innerlich als auch äußerlich habe, unheimlich gern habe. Ja, eigentlich finde ich mich sogar total super. Das war aber nicht immer so. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich mich vor mir selbst versteckt habe. Jemand anderes sein wollte und das Gefühl hatte, in großen Gruppen unter zu gehen. Ich wollte etwas sein, was ich nicht war, weil ich mich anderen immer unterlegen gefühlt habe. Irgendwann habe ich gemerkt dass die Schwächen der Anderen meine Stärken sind. Und wider rum meine eigenen Schwächen die Stärken der Anderen sind. Und das ist vollkommen in Ordnung. Nur so kann sich die Gesellschaft fügen und überhaupt erst zu einer werden. Fälschlicherweise habe ich Selbstbewusstsein in der Vergangenheit häufig als negative Eigenschaft eingestuft. Selbstbewusst ist jemand, der sich immer über allem sieht und sich gut präsentieren kann. Kein Wunder, dass ich mich mit dieser Eigenschaft niemals identifizieren konnte. Wo ich doch oft an den richtigen Stellen eher zurückhaltend und vorsichtig bin, die Situation gut beobachte, bevor ich aktiv werde. Letztendlich geht es im Leben nicht darum, was andere Leute von dir denken. Wie hübsch du bist, wie viele Freunde du hast oder was du verdienst. Wichtig ist, dass du immer weißt, wer du bist. Und dass du immer wieder zu dir findest, wenn dich etwas aus der Bahn wirft. Dass du hinter dem stehst, was du tust und mit den Konsequenzen deines Handeln leben kannst. Dass du in den Spiegel gucken und dir dabei guten Gewissens selbst entgegen lächeln kannst. Und natürlich gibt es auch schlechte Tage. Die Tage, an denen dich jeder Windstoß umfallen lässt. Aber das ist ok, solange du weißt, dass du wieder aufstehen wirst.

Ich glaube, das hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin: ich habe das Aufstehen nicht verlernt. Es gibt Tage, da erfüllt mich eine unangenehme Unzufriedenheit. Alles ist blöd, niemand kann mich zufrieden stellen und sowieso ist die Welt ja so ungerechnet. Und am nächsten Tag stehe ich auf als wäre nichts gewesen, beginne bei Null. Ich trete mir in den Arsch und gebe mir einen Ruck. Das ist es, was mich stark macht. Ich jammere alten Freundschaften nicht hinterher, weil ich weiß, dass wir unsere besten Tage hinter uns haben. Das ist ok. Ich bereue keinen Schritt, den ich in der Vergangenheit gegangen bin, weil er mich zu meinem Ziel geführt hat. Ich stehe zu 100% hinter dem, was ich tue. Auch, wenn nicht immer alles richtig ist. Und manchmal lege ich auch einfach eine gewisse Gleichgültigkeit an den Tag: Wenn ich nicht mehr ändern kann, was gesagt oder getan wurde, warum soll ich mir dann den Kopf zerbrechen? Oft habe ich einfach absolut keinen Bock niedergeschlagen zu sein. Das geht mir auf den Keks. Ich gehe mir auf den Keks. Ich habe in den letzten Monaten unheimlich viel über mich gelernt. Vor allem habe ich gelernt, dass mir mein Bewusstsein über mich selbst eine unglaubliche Schönheit verleiht. Keine äußerliche Schönheit. Ich finde immer noch, dass ich viel zu dicke Oberschenkel habe und weniger Cellulite haben könnte. Ich meine die innerliche Schönheit. Die, die ich nach außen ausstrahle und an meine Mitmenschen weitergebe. Wisst ihr, es ist wirklich nicht wichtig, dass ihr "perfekt" seid. (Davon abgesehen: Wer oder was ist eigentlich perfekt?) Wichtig ist, dass ihr immer hinter euch selbst steht. Seid euer eigener bester Freund und akzeptiert euch mit all euren Fehlern. Schaut in euch hinein und fragt euch ernsthaft, wer ihr seid und nicht, wer ihr sein wollt. Werdet euch eurer selbst bewusst und empfangt die Welt mit offenen Armen. Habt keine Angst auf andere Menschen zu zugehen. Zeigt ihnen, wer ihr seid, lasst euch nicht von jedem klein machen und vertraut auf eure Gedanken und Gefühle.


Ralph Waldo Emerson
Du selbst zu sein, in einer Welt die dich ständig anders haben will, ist die grösste Errungenschaft.
Über die Gedankenflug Kolumne
'Gedankenflug' ist eine Kolumne, die sich mit den alltäglichen Dingen beschäftigt. Mit allem, was das Herz in unserer heutigen Zeit bewegt oder auch einfach nur zum Schmunzeln bringt. Das Besondere: wir blicken in unserer Kolumne in zwei Richtungen, die manchmal nicht verschiedener und manchmal nicht näher beieinander sein könnten. Zusammen mit Lisch biete ich dir jeden Freitag einen Einblick in unsere Gedanken und unsere ganz persönlichen Meinungen. Ein starker Gegenwind ist immer erwünscht - feel free to talk with us.