Selbstexperiment: drei Tage zu allem Ja sagen.

05.08.2016
"Selbstexperiment: drei Tage zu allem ja sagen?" schlug Lisch vor, als wir gerade wieder gemeinsam nach einem neuen Thema für diese Kolumne suchten. An dieser Stelle sei gesagt: die Themensuche ist oftmals wirklich nicht einfach. Ich muss zugeben, dass ich von Lischs Vorschlag nicht sonderlich angetan war und deswegen schon fast zurückpflaumte: "Ich sehe darin irgendwie keine Lehre. Also ich meine, welche Erkenntnis soll uns das Experiment bringen?" und später sogar "Zu allem ja zu sagen klingt für mich irgendwie wahnsinnig naiv. Als würde man alles machen, was man mir aufträgt. Das bin nicht ich." Und dennoch willigte ich dem Vorschlag von Lisch ein. Wahrscheinlich war das der erste Schritt in die richtige Richtung. Mein erstes Ja war gefallen, ohne dass ich es bewusst wahrnahm.

[→ Lischs Gedanken und Erfahrungen zum "Selbstexperiment: drei Tage zu allem Ja sagen." findet ihr hier auf ihrem Blog.]

Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn überhaupt keine Ahnung hatte, wie ich das Experiment angehen soll. So einfach es auch klingt, so sehr überfordert war ich. Und wahrscheinlich versteifte ich mich auch ungemein, weil ich dem Experiment so oder so skeptisch gegenüber stand. Ich habe mich schließlich auf mein Gefühl verlassen. Wir begannen am Mittwoch mit dem Experiment. Und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis ich vor der ersten groß-kleinen Herausforderung stand.

Es war Mittwoch. Ich hatte einen unglaublich angenehmen Tag im Büro, war gelassen und fühlte mich locker und gelöst. Für den frühen Abend war ich mit meiner Freundin S. verabredet. Ich freute mich sehr auf die gemeinsame Zeit. Wir wollten den Abend miteinander verbringen, quatschen, eventuell einen Film schauen. Geplant war, dass sie mich zu Hause besucht. Bis sie mir gegen 14:00 Uhr plötzlich schrieb: "Besteht die Möglichkeit, dass du zu mir kommen kannst?" Uff. Mhm. Ich muss zugeben: ich gebe ungerne nach. Vor allem dann, wenn Dinge abgesprochen sind, man sich geeignet hat und der Plan steht. Natürlich hatte ich das Selbstexperiment im Hinterkopf.... Und ich merkte auf einmal nur noch mehr, wie schwer es mir eigentlich fällt "einfach so" ja zu sagen. Ja und Amen. Nee nee, das spricht absolut nicht für mich. Auf der linken Schulter saß also der Engel in mir. Auf der rechten Schulter der Teufel. Ich war hin- und hergerissen. Ich ließ mir mit meiner Entscheidung Zeit, bis ich schließlich gegen 17:00 Uhr von der Arbeit zurück war. Und dann nahm ich mein Handy in die Hand, wählte die Telefonnummer meiner Freundin und rief sie an: "Gib mir etwa 30 Minuten Zeit. Dann bin ich bei dir." Und was soll ich sagen? Natürlich hatten wir einen tollen Abend miteinander und ich würde mich an dieser Stelle grün und blau ärgern, wenn ich abgesagt hätte. Ich hätte so viel verpasst. Die Gespräche z.B. oder die Natascha Kampusch Doku, die wir auf Amazon Prime schauten. Es tat einfach unheimlich gut den Feierabend mit jemanden ausklingen zu lassen, den ich unheimlich gerne habe, anstatt wie eine durstige Blume einzugehen.

Und dann war Donnerstag. Tag zwei des Experiments. Donnerstag war der erste Tag der Woche, an dem ich mich richtig richtig gut und fit gefühlt habe. Die Nächte zuvor habe ich unheimlich schlecht geschlafen, sodass ich mich förmlich durch den Tag quälte, weil ich mich wie erschlagen fühlte. Der Arbeitstag war am Donnerstag für die Sommerpause gewohnt ruhig. Hier und da riefen vereinzelt Kollegen an, E-Mails flatterten herein. Nichts Großes. Am Nachmittag dann verschickten die Kollegen eine E-Mail für eine Feier, die "alle Jahre wieder" ansteht. Eine Feier für den großen Kreis von Kollegen. Ich öffnete die E-Mail mit der Einladung, überflog sie und klickte sie wieder weg. "Mhm, da geh ich sowieso nicht hin." und "Wenn ich noch nie da war, warum sollte ich es jetzt tun?" schwirrte es mir durch den Kopf. Ich machte mir keine großen Gedanken - bis eine E-Mail von meiner Kollegin kurz darauf folgte: "Wollen wir da hin?" Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe, dass sie tatsächlich in Erwägung zog mit mir zu dieser Feier zu gehen. Glücksgefühle erfüllten meinen Körper. Das Experiment! Da meldete sich wieder diese kleine Stimme in mir.... Und natürlich war ich wieder hin- und hergerissen. Erst streichelte ich mein schlechtes Gewissen mit dem Gedanken, dass ich zu der Zeit eh Urlaub habe. Aber warum sollte mich mein Urlaub an einen netten Abend im Kreise meiner lieben Kollegen hindern?! Ich ging gedanklich ganz genau durch, warum ich unbedingt hingehen sollte und warum es vielleicht doch besser wäre, diese Feier zu meiden. Ein innerlicher Kampf, ich sag's euch! Und dann, als ich gerade beschlossen hatte, das Angebot meiner Kollegin anzunehmen, fiel es mir ein: der Arzttermin in Potsdam! Ich wühlte aufgeregt in meiner Tasche, kramte meine Geldbörse hervor und hatte schließlich den Terminzettel in der Hand. Und an dieser Stelle war das Nein leider unumgänglich.

Und nun sollte hier idealerweise mein Fazit für dieses Selbstexperiment stehen. Aber dieses Mal gibt es keins. Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll. Außer: gibt euch einen Ruck und macht das, worauf ihr so richtig Bock habt. Steht euch nicht selbst im Weg.
Über die Gedankenflug Kolumne
'Gedankenflug' ist eine Kolumne, die sich mit den alltäglichen Dingen beschäftigt. Mit allem, was das Herz in unserer heutigen Zeit bewegt oder auch einfach nur zum Schmunzeln bringt. Das Besondere: wir blicken in unserer Kolumne in zwei Richtungen, die manchmal nicht verschiedener und manchmal nicht näher beieinander sein könnten. Zusammen mit Lisch biete ich dir jeden Freitag einen Einblick in unsere Gedanken und unsere ganz persönlichen Meinungen. Ein starker Gegenwind ist immer erwünscht - feel free to talk with us.