Der Mensch hasst das, was er selbst am meisten scheut. Homophobie.

24.06.2016
In der Nacht vom 11. Juni auf den 12. Juni 2016 hat sich das Leben der Familien von mindestens 50 Todesopfern gravierend geändert, weil ein einziger Mensch zu schwach war, die Orientierung anderer Leute zu respektieren. Das Leben dieser Menschen wird durch den Verlust nie wieder so sein wie vorher, aber wir alle können wenigstens versuchen die Welt ein bisschen besser zu machen. 

[ Lischs Gedanken zum Thema Homophobie findet ihr hier.]

Es handelt sich bei Homophobie also um eine irrationale, weil sachlich durch nichts zu begründende Angst vor homosexuellen Menschen und ihren Lebensweisen. Daraus entstehende Vorurteile und Zerrbilder, bis hin zu Ekel und Hassgefühlen rufen wiederum Ängste und infolgedessen antihomosexuelle Aggression und Gewalt hervor.
Natürlich, Deutschland will alles verbessern und setzt sich für die Rechte von Schwulen und Lesben ein. Und dennoch sind es die Deutschen, die gnadenlos hinterher hängen. Solange Schwule und Lesben vom Gesetz her nicht die gleichen Rechte haben wie Heterosexuelle, werden sie von homophoben Personen wahrscheinlich immer wieder als anders abgestempelt. Und sie werden sich dabei immer im Recht fühlen. Immerhin wird vom Gesetz unterschieden. Aber warum wird eigentlich zwischen hetero- und homosexuellen Menschen unterschieden? Seit dem 1. August 2001 ist es zwar möglich eine Lebenspartnerschaft einzugehen, aber dennoch ist es nur heterosexuellen Paaren erlaubt, eine Ehe im "eigentlichen Sinne" einzugehen. Mit dieser Gesetzesänderung wurde sicherlich ein großer Schritt getan, aber dennoch: von einer Gleichstellung sind wir weit entfernt. Nicht zu vergessen das Adoptionsrecht, dass die gemeinsame Adoption eines fremden Kindes nicht vorsieht. Man sollte alle Menschen gleiche Rechte geben. Ganz unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Eine große Ursache für Homophobie ist in meinen Augen die Tatsache, dass Homosexuelle noch sehr weit davon entfernt sind, mit Heterosexuellen gleichgestellt zu werden. 

Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, weil mein Wissen bezüglich Religionen wirklich nicht groß ist, aber ist es nicht so, dass in den meisten Religionen die Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen gar nicht erst vorgesehen ist? In einigen islamischen Ländern könnte Homosexualität sogar mit der Todesstrafe verurteilt werden. Wer bitte entscheidet, dass diese Leute kein Recht auf Leben haben? Wer kann sich darüber ein Urteil erlauben? Warum werden Menschen schamlos in ihrer Liebe eingeschränkt? Gut, vielleicht ist nicht in jeder Religion eine Strafe von Homosexuellen vorgesehen, aber ein schwieriges Verhältnis zwischen Homosexualität und Religionen ist sicherlich unumstritten. Ja, vielleicht ist gerade das ein Grund, warum ich überzeugte Atheistin bin und statt dem Glauben an Gott lieber meinen eigenen Glauben habe. Hätte "Gott" gewollt, dass viele Menschen aufgrund der Intolleranz anderer Menschen ihr Leben verlieren? Kann man eigentlich an eine Religion glauben, die die Liebe zweier gleichgeschlechtlicher Menschen nicht vorsieht oder gar nicht duldet und gleichzeitig selbst die sexuelle Neigung homosexueller Menschen akzeptieren? Das ist eine wirklich ernst gemeinte Frage! Ich habe mir diese Frage im Laufe dieses Textabschnittes mehrmals gestellt und keine eindeutige Meinung.



Im Verlaufe dieses Textes habe ich mir eine weitere Frage gestellt: Ist es sogar Sache der Erziehung und Aufklärung, wie ich mit homosexuellen Menschen umgehe? Das soll um Gottes Willen nicht bedeuten, dass Eltern homophober Menschen die Schuld an dem Verhalten und Denken ihrer Kinder gegeben wird. Ich meinte damit viel mehr, dass man frühzeitig aufklären könnte - ganz egal ob zu Hause oder in der Schule - dass es auch gleichgeschlechtliche Liebe gibt und dies absolut ok ist. Das Bild einer Familie, so, wie es die Gesellschaft vorsieht, wird schon sehr schnell vermittelt. Egal, welches Buch man aufschlägt: Mutter, Vater, Kind. (Und an dieser Stelle muss ich kurz zurück zu den Religionen kommen, denn auch diese sehen ein solches Familienbild vor. Stichwort: Fortpflanzung) Es sollte frühzeitig über die verschiedenen sexuellen Orientierungen aufgeklärt werden. Noch bevor Homosexualität als etwas Unnormales oder gar Unnatürliches im Leben eines Menschen angesehen werden könnte. Wir sollten unseren Kindern unsere eigene Toleranz und Akzeptanz weitergeben. Man sollte von Beginn an darüber sprechen, dass Sex nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen ein Thema ist.  Es sollte ein Teil der Aufkärung sein. Vielleicht wären wir dann alle von Beginn an toleranter. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?

Komischerweise konnte ich im Laufe der Jahre folgendes Muster in Bezug auf Toleranz und Akzeptanz von gleichgeschlechtlicher Liebe beobachten: Frauen gehen oftmals unwahrscheinlich locker mit Homosexuellen um, wirken Schwulen und Lesben gegenüber teilweise interessiert, stellen Fragen. Männer schauen sich Lesbenpornos an, um ihre eigene Lust zu steigern und sich daran aufzugeilen, verpöhnen aber die Liebe zweier Männer. Wie bitte rechtfertigt man solch ein widersprüchliches Verhalten? Ist Homophobie also nur ein Problem des männlichen Geschlechts? Das Problem viel zu vieler Menschen ist die Angst und Bequemlichkeit. Angst vor Homosexualität und zu bequem, um alte Sitten und Gewohnheiten abzulegen. Vielleicht hängen viele homophobe Menschen noch mit dem Kopf in der Vergangenheit. So ganz nach dem Motto: Wenn Homosexualität früher nie ein Thema war, warum sollte es das jetzt werden? Sigmund Freud sagte mal, dass der Mensch das hasst, was er selbst am meisten scheut.

Zusammenfassend bleibt mir nichts anderes zu sagen als: wir alle sollten viel mehr an unserer Solidarität feilen und all die Grundprinzipien über Bord werfen. Jeder Mensch hat ein Recht  zu leben und zu lieben. Ganz unabhängig von der eigenen Orientierung. Man muss nicht alles gut finden, aber Respekt und Toleranz muss an erster Stelle stehen. Natürlich ist es einfach zu sagen, dass die Religionen und das Gesetz schuld an Homophobie sind. (Wobei ich genau DAS viel mehr in Frage stellen wollte.) Denn, Fakt ist: Homophobie wird immer ein Thema sein, solange homophobe Menschen nicht akzeptieren, respektieren und tolerieren können. 
Über die Gedankenflug Kolumne
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