Quarterlife Crisis

08.08.2023
Erwachsensein ist schlimmer als Pubertät. So zumindest meine Theorie. Wir fiebern unserer Volljährigkeit entgegen und können es kaum erwarten auf eigenen Beinen zu stehen. Was wir dabei vergessen: Du bist plötzlich für dich allein verantwortlich und für die Entscheidungen, die damit einhergehen. Es ist nicht mehr nur eine Phase, es ist plötzlich das "richtige" Leben: Rechnungen bezahlen, Vorsorge Untersuchungen wahrnehmen, Freundschaften pflegen, Geld verdienen, Verantwortung übernehmen. Du triffst Entscheidungen, die Einfluss auf dein gesamtes Leben haben. 

Die Endphase des ersten Lebensviertels
Die Quarterlife Crisis sind das Pendant zu den Midlife Crisis und beschreiben eine Lebenskrise bzw. eine psychische Krise im Alter zwischen 21 und 29 Jahren. Sie gehen mit viele verschiedenen Gedanken und Gefühlen rund um das Erwachsensein einher. Bin ich gut genug? Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen? Hinke ich hinterher? Habe ich etwas verpasst? Wie soll es weitergehen? Wo gehöre ich hin? Tue ich eigentlich das Richtige? Insbesondere sind damit die "alles entscheidenden" Zukunftsfragen in Punkto Partnerschaft, Familienplanung, berufliche Orientierung, Job und Karriere gemeint.

Die Quarterlife Crisis gehen zugleich mit einer gewissen Erwartungshaltung einher. Niemand würde das zugeben! Kurz vor der 30 bis du auf jeden Fall schon in einer festen Partnerschaft. Du stehst kurz vor der Hochzeit oder bist sogar schon verheiratet. Du bist sicher im Job und machst Karriere oder strebst es zumindest an. Du hast ein Kind oder willst auf jeden Fall Kind(er) haben. Du wohnst nicht mehr "nur" zur Miete. Du hast Haus und Hof oder zumindest Eigentum. Du hast klare Perspektiven und bist dir deiner Ziele absolut bewusst.


Selbstfindung, Autonomie, Wachstum, (un)genutztes Potenzial und Zukunftsangst
Vielleicht fängst du gerade wieder bei Null an und stehst vor dem Scherbenhaufen deines Lebens. Alles, was du dir vorgestellt und gewünscht hast, ist von jetzt auf gleich in Staub zerfallen. Wegen trennen sich, treue Weggefährten verschieden sich. Du zerbrichst dir den Kopf über den Sinn und Unsinn des Lebens, während dir andere Leute bereits fünf Schritte voraus sind. Man soll sich nicht vergleichen. Jeder Mensch ist anders. Die Wege, die wir gehen, sind nicht dieselben. Ein Blick auf den eigenen Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis genügt, um ins Wanken zu geraten. Hinzu kommt der Antrieb über die sozialen Netzwerke. Kein Partner? Kein Kinderwunsch? Keine berufliche Sicherheit? Keine Perspektiven? Der nächste Familiengeburtstag steht vor der Tür und dir krümmen sich bereits Tage zuvor die Fußnägel. Du hoffst regelrecht darauf krank zu werden, um dich bloß nicht dem gefürchteten Fragenkatalog der Verwandten stellen zu müssen. Es ist ein wenig, als würde man mit den Fingernägeln über die Tischplatte kratzen. Es ist einfach fuuuurchtbar unangenehm. Eine Antwort allein genügt schließlich nicht. Es muss DIE richtige Antwort sein. Anderenfalls blickt man in  enttäuschte Gesichter. Das löst Druck aus. Und Druck wiederum lässt uns an unseren bisherigen Entscheidungen zweifeln. Es geht um Selbstfindung, Autonomie, Wachstum, (un)genutztes Potenzial und Zukunftsangst. Die Verunsicherung wächst. Was will ich vom Leben? Welche Wünsche und welche Ziele habe ich? Wie kann ich mich selbst finden, ohne mich dabei zu verlieren? Man trauert um die verlorengegangene Kindheit, kämpft mit dem Erwachsensein und soll sich zugleich seiner Zukunft sicher sein. 

Bunt leben, statt schwarz-weiß denken!
Sollte ich vielleicht den Job wechseln? Möchte ich Kinder? Bin ich in meiner Beziehung glücklich?
Es geht nicht mehr nur allein darum, wie wir uns entscheiden. Unsere Entscheidungen haben plötzlich gravierende Auswirkungen. Auf der einen Seite sehen wir das Bedürfnis nach Sicherheit und Kontinuität; auf der andere Seite das Bedürfnis nach Freiheit und Wandel. Hinzu kommt die Flut an Möglichkeiten und das damit einhergehende Risiko das Falsche zu wählen. Was aber ist falsch? Und was ist richtig?

Können wir uns nicht einfach frei machen? Frei von moralischen Ansprüchen und von gesellschaftlichen Erwartungen? Wir benötigten mehr Selbstvertrauen und mehr innere Ruhe. Dieser Sturm geht auch wieder vorbei. Vielleicht. Irgendwann. Wir können zu keinem Zeitpunkt in unserem Leben sicher sein, das Richtige zu tun. Niemand weiß das. Nicht einmal die Menschen, die scheinbar sicher sind. Ist das nicht auch ein klein wenig beruhigend? Wir sollten bunt leben, statt schwarz-weiß zu denken! Ja, die Quarterlife Crisis kann zur Sinnkrise werden. Sie kann aber auch eine Chance sein und dringend notwendige Veränderungen ins Leben bringen.

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