In diesem Deeptalk-Beitrag geht es um eine dieser Fragen, die auf den ersten Blick simpel klingt – und doch tief in mir gräbt. "Wem vertraust du?" Ich könnte jetzt diplomatisch antworten: meiner Familie, meinen Freunden, meinem Partner. Vertrauen ist die Basis jeder Beziehung, heißt es so schön. Und ja, theoretisch stimmt das auch. Ohne Vertrauen gibt es keine Nähe, keine Ehrlichkeit, keine echte Verbindung. Aber was, wenn genau dieses Vertrauen in der Vergangenheit zu oft erschüttert wurde?
Für mich ist Vertrauen kein Geschenk – es ist ein Prozess. Etwas, das wachsen darf. Ich vertraue nicht, weil ich naiv bin oder weil ich will, dass alles gut wird. Ich vertraue nur dann, wenn mein Bauchgefühl, meine Erfahrungen und mein Selbstschutz nicht Alarm schlagen. Ich vertraue, wenn ich mich fallen lassen kann. Vertrauen bedeutet, sich verletzlich zu zeigen und sich zu öffnen. Genau da liegt das Problem. Ich habe in der Vergangenheit zu häufig erfahren, dass meine Offenheit nicht wertgeschätzt, sondern ausgenutzt wird und Grenzen überschritten werden. Für mich ist es einfacher, immer alles unter Kontrolle zu halten. Ich analysiere jede Situation, jede Nachricht, jeden Blick. Ich baue Mauern, ich halte Abstand, ich rechne mit dem Schlimmsten – auch wenn’s vielleicht gar keinen Grund gibt. Das erschwert anderen Menschen den Zugang zu mir und kostet mich selbst so unfassbar viel Energie. Ich bin ständig angespannt, sehr kontrolliert, auf Habacht bereit für den nächsten Rückschlag. Mein ganzes System läuft auf Alarm, selbst wenn es gar keinen Grund gibt.
Ich bin unumstritten eine harte Nuss. Meinen weichen Kern bekommen nur sehr wenige Menschen zu Gesicht. Mein Partner ist die Ausnahme von der Regel. Und gleichzeitig der Beweis, dass es eben doch geht. Dass es möglich ist, sich fallen zu lassen und dass es Menschen gibt, die es wirklich gut mit mir meinen. Dass ich sein kann, wie ich bin. Dafür bin ich sehr dankbar! Insgesamt tue ich mich aber eher schwer damit, mich komplett zu öffnen, mich fallen zu lassen und all meine Facetten zu zeigen. Ich verfalle noch häufig aus Selbstschutz in alte Verhaltensmuster.
Was ich denke, was ich fühle, was mich wirklich bewegt – das wissen nur mein Partner und meine engsten engsten Freunde. Eine Handvoll Menschen, die geblieben sind. Nicht einmal meine Therapeutin hat es geschafft, mein Vertrauen zu wecken. Ein Teil von mir blieb immer in Deckung. Zu groß war die Angst, dass alles wieder gegen mich verwendet werden könnte. Diese Erkenntnis war eine bittere Pille. Dabei bin ich wirklich bemüht, mein Misstrauen nicht auf neue Menschen zu projizieren. Jeder Mensch, der neu in mein Leben kommt, verdient den gleichen Vorschuss an Vertrauen. Fair, ehrlich, offen. Ich möchte schließlich niemanden vorverurteilen für die Fehler, die andere gemacht haben. Ist dieser Vorschuss aufgebraucht und wird mein Vertrauen ausgenutzt, ziehe ich die Reißleine. Ich distanziere mich. Ich verschließe mich. Ich gehe emotional auf Abstand. Das lässt sich nicht wieder gut machen.
Also, kurz gesagt: Ich vertraue mir, meinem Bauchgefühl und ein paar wenigen Menschen, die mir immer wieder zeigen, dass ich sein kann, wie ich bin. Vertrauen braucht Mut.
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